manufacientes (2020)
Die Stadt Jingdezhen wirkt auf den Besucher wie eine einzige große Manufaktur, in der jeder eine Rolle spielt, sei es im Einmann- oder Einfraubetrieb, im Familienunternehmen oder in größeren Organisationen. Diese wirtschaftlich partizipierenden Akteure hängen voneinander ab: Der solo-selbständige Transporteur trägt die geformten und glasierten Gefäße zu einem öffentlichen Ofen. Der Brennmeister brennt die Keramik. Der Verpackungsverkäufer liefert der Keramikmanufaktur passendes Verpackungsmaterial. Für jeden Schritt in den keramischen Prozessen gibt es mindestens einen Akteur, meist ein spezialisierter Kleinbetrieb.
Schaut der kulturschaffende Besucher mit europäischer Prägung auf diese Wertschöpfungskette, ist er fasziniert von der Vielfalt der spezialisierten Fertigkeiten. Gleichzeitig ist er irritiert von der Uniformität der Produkte, die aus dieser Struktur hervorgeht. Produkte aus Jingdezhen sind weltweit bekannt. Die Menschen in der Produktionslinie sind es nicht, sie sind namenlos.
Wo der fremde Blick Fabriken und Maschinen vermutet, findet der Besucher vor Ort unzählige Menschen, die mit ihren verschiedenen Fertigkeiten in Kleinbetrieben organisiert diese Massenproduktion bewerkstelligen.
Ich habe meinen Forschungsaufenthalt in Jingdezhen 2019 dazu genutzt die Zulieferer der Keramikindustrie mit ihren Läden, Betrieben und Familien zu dokumentieren. Mich faszinierte die Vielfalt der Tätigkeiten verbunden mit der Vielfalt der Menschen. Ich will die „Gesichter“ hinter den einzelnen Prozessen zeigen.
Entstanden sind eine Buchpublikation und eine fotografische Installation.Die Menschen sind in der Reihenfolge der keramischen Prozesse geordnet. In der Reihenfolge, in der man Sie aufsuchen würde, will man als Künstler oder Künstlerin ein keramisches Projekt durchführen. Sie sind mit ihrem „Job“, ihrer „Rolle“ in der Produktionslinie und ihrem Namen präsentiert. Der Name gibt ihnen Ihre Identität in der Manufaktur Jingdezhen und nimmt Ihnen die Anonymität in einer Megastadt, die jährlich mehrere Millionen von keramischen Gefäßen produziert und exportiert.
Das Projekt trägt dazu bei, die Akteure sichtbar zu machen. Sie sind nicht mehr ungesehen.